Effizienzsteigerung und Kostensenkung
durch Internet-Technologien
am Beispiel gesetzlicher Rentenversicherungsträger

von

Jörn von Lucke

Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors
der Verwaltungswissenschaften (Dr. rer. publ.)
der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1999

Erstgutachter: Prof. Dr. Heinrich Reinermann
Zweitgutachter: Prof. Dr. Herrmann Hill
Tag der mündlichen Prüfung: 12. 1. 1999

ISBN 3-7685-1599-0


Einführung

Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und ihre Rentenversicherungsträger (RVT) stehen gegenwärtig weltweit und besonders in Deutschland vor einer Vielzahl von Herausforderungen und grundlegenden Veränderungen. Zu lösen sind finanzielle und soziale, aber auch politische und ideologische Probleme. Die Verschiebung der demographischen Altersstruktur der Bevölkerung, die Staatsmodernisierung, Auswirkungen der Globalisierung sowie der Erfolg des Internet und der damit verbundene Übergang zur Informationsgesellschaft zählen zu den herausragenden Merkmalen der aktuellen Entwicklung, der sich die RVT neben ihren alltäglich anfallenden und gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben widmen müssen. In Deutschland ist ein Reorganisationsbedarf in den Verwaltungsstrukturen der RVT spätestens seit dem sogenannten "Berger-Gutachten" zur Organisation der GRV offensichtlich. Viele RVT suchen daher nach Lösungsansätzen, mit denen sie ihre Effizienz und Flexibilität steigern und gleichzeitig ihre Kosten senken können, um die eigene Existenz und die der gesamten GRV auch künftig sicherzustellen.

Die Internet-Technologien können sich in diesem Zusammenhang für RVT als ein sehr interessanter Ansatz erweisen. Mit einem vergleichsweise geringen Mitteleinsatz (Sach- und Personalkosten) lassen sich deutlich erkennbare Resultate rasch erreichen. In Zeiten knapper finanzieller Mittel sind Internet-Technologien daher ein sehr attraktiver Ausgangspunkt für neue Überlegungen. Auch ohne Veränderung der bestehenden Organisation oder der Geschäftsabläufe lassen sich schon nach kurzer Zeit Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen realisieren. Viele dieser Ansätze sind auch langfristig nutzbar. Investitionen in Internet-Technologien versprechen zudem hohe Renditen und kurze Amortisationszeiten. Um auf die Möglichkeiten und Risiken der Internet-Technologien angemessen und mit Erfolg reagieren zu können, sollte eine Strategie zum Einsatz und zur Nutzung erarbeitet werden. Bei einem ungeplanten Engagement werden andernfalls wichtige Potentiale nicht erkannt oder nicht genutzt.

Die vorliegende Dissertation untersucht Anwendungsmöglichkeiten von Internet-Technologien in der GRV: Wo liegen die Einsatzpotentiale für einen RVT? Wie kann ein RVT diese Ansätze sinnvoll umsetzen? Welche Auswirkungen wird der Einsatz für den RVT haben? Welche Rahmenbedingungen sind zu berücksichtigen? Wie sollte eine Umsetzung zweckmäßig in die Wege geleitet werden? Welche Chancen und Risiken sind mit Internet-Technologien verbunden? Auf diese Fragen sind solide und realisierbare Antworten zu finden. Obwohl sich weltweit alle RVT mit Datenverarbeitung beschäftigen, stand der Einsatz von Internet-Technologien in der GRV bisher noch nicht im Mittelpunkt einer verwaltungswissenschaftlichen Forschungsarbeit. Die Arbeiten des Los Alamos National Laboratory (USA) gingen bisher mehr auf die Sicherheitsrisiken von Internet-Diensten und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen für einen RVT ein. Eine auf die spezifische Situation in Deutschland abgestimmte Darstellung fehlte bisher. Für die folgenden Betrachtungen wurde aus der Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Organisation eines RVT dann die Organisationsstruktur der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz (Speyer) als Ausgangsbasis genommen.

Die Einführung von Internet-Technologien kann sicherlich nur ein Teilaspekt einer grundsätzlichen Reform von RVT sein. Zur Bewältigung der anstehenden Probleme sind generell organisatorische, mentale und technische Veränderungen notwendig. Deswegen sollten parallel alle Ablaufprozesse und Organisationsstrukturen kritisch hinterfragt werden. Bei einem Verzicht auf eine grundlegende Reorganisation der Geschäftsprozesse würde die Chance einer durchgreifenden Optimierung der Geschäftsabläufe verpaßt, da sonst die bestehenden Vorgänge nur in ein anderes Medium übertragen werden. Aus diesem Grunde sollte der Einstieg in Internet-Technologien zugleich eine Initialzündung sein, um die bisherige Ablauforganisation gründlich zu überarbeiten.

Im ersten Kapitel stehen zunächst Struktur, Aufgaben, aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen der GRV in Deutschland im Vordergrund. Aktivitäten von RVT im Bereich der Informations- und Kommunikations-Technologien werden anschließend betrachtet. Gegenwärtige Möglichkeiten, die technische Weiterentwicklung und grundlegende Rahmenbedingungen der Internet-Technologien sind Kernelemente des zweiten Kapitels. Die Einsatz- und Nutzungspotentiale bei einem RVT auf Abteilungs- und Referatsebene werden im dritten Kapitel ausführlich behandelt. Darauf aufbauend werden im vierten Kapitel Ansätze zur Gestaltung und zur Nutzung von Internet-Technologien dargestellt. Die realisierbaren Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung sind Schwerpunkte des fünften Kapitels. Im sechsten Kapitel werden Überlegungen zur Einführung von Internet-Technologien wie Strategien, Pilotprojekte, geeignete Maßnahmen, gesammelte Erfahrungen, Chancen und Risiken herausgearbeitet. Abschließend folgt eine Zusammenfassung mit einem Ausblick auf die nähre Entwicklung. Ergänzt wird diese Darstellung um eine Präsentation im Internet, die inhaltlich mit den Verweisen im Anhang übereinstimmt.


Inhaltsverzeichnis

 

Einführung

 

 

 

 

1

Rentenversicherungsträger im Umbruch

 

 

 

 

1.1

Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland

 

1.2

Rentenversicherungsträger und Internet-Technologien

 

 

 

 

2

Internet-Technologien

 

 

 

 

2.1

Gegenwärtige Möglichkeiten des Internet

 

2.2

Weiterentwicklung der TCP/IP-Protokolle und Anwendungen

 

2.3

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Internet-Technologien

 

 

 

 

3

Potentiale bei einem Rentenversicherungsträger auf Abteilungs- und Referatsebene

 

 

 

 

3.1

Auskunfts- und Beratungsdienste

 

3.2

Sachbearbeitung im Bereich Versicherung, Rente und Rehabilitation

 

3.3

Geschäftsleitung und Verwaltungsabteilung

 

3.4

Ärztlicher Dienst und Rehabilitationskliniken

 

3.5

Finanzreferat

 

3.6

Rechtsreferat

 

3.7

Baureferat

 

3.8

Rechnungsprüfungsstelle

 

3.9

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

 

3.10

Selbstverwaltung

 

3.11

Personalrat

 

3.12

Mitarbeiter

 

 

 

 

4

Ansätze zur Gestaltung einer erfolgreichen Präsenz sowie zur Nutzung

 

 

 

 

4.1

Grundsätzliche Bemerkungen zum Einsatz von Internet-Technologien

 

4.2

Public-Internet - Anbindung an das Computernetzwerk Internet

 

4.3

VDR-Extranet - Ausbau des bestehenden DSRV-Netzwerkes

 

4.4

RVT-Extranet - Spezielles Netzwerk für die Geschäftspartner

 

4.5

RVT-Intranet - RVT-internes TCP/IP-Netzwerk

 

4.6

Sinnvoll ergänzende Aktivitäten beim Rentenversicherungsträger

 

 

 

 

5

Realisierbare Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung

 

 

 

 

5.1

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit

 

5.2

Beschleunigung

 

5.3

Qualitäts- und Serviceverbesserung

 

5.4

Organisationsverbesserung

 

5.5

Schritte zur Kostensenkung

 

5.6

Möglichkeiten zur Einnahmegewinnung

 

 

 

 

6

Überlegungen zur Einführung von Internet-Technologien

 

 

 

 

6.1

Grundlegende Gedanken vor Beginn von Aktivitäten

 

6.2

Strategien zur Einführung von Internet-Technologien

 

6.3

Ansatzmöglichkeiten für erfolgreiche Pilotprojekte

 

6.4

Entscheidungsspielraum der Geschäftsführung

 

6.5

Vorbereitende Maßnahmen zur Einführung von Internet-Technologien

 

6.6

Erfahrungswerte und Umsetzungsprobleme

 

6.7

Langfristige Potentiale und Risiken für Rentenversicherungsträger

 

 

 

Zusammenfassung und Ausblick


 

Zusammenfassung

Für RVT bestehen sehr viele Ansätze zum Einsatz und zur Nutzung von Internet-Technologien. Die ausgearbeiteten Einsatzpotentiale im Public-Internet, im VDR-Extranet, im RVT-Extranet und im RVT-Intranet sind eine sinnvolle Ergänzung zu den herkömmlichen Informations- und Kommunikationsmitteln. Sie eröffnen in einigen Bereichen vollkommen neue Möglichkeiten. Internet-Technologien haben einen großen Einfluß auf alle Kommunikationsströme innerhalb und außerhalb eines RVT. Sie sind in der Lage, mit virtuellen Ansätzen die gesamte Organisation eines RVT zu verändern. Die Einführung von Internet-Technologien sollte als eine langfristige Investition des RVT in die eigene Zukunft betrachtet werden. Innovative RVT wie die amerikanische SSA haben bereits gezeigt, daß sich mit den heutigen Möglichkeiten der Internet-Technologien Beschleunigungen, Service- und Qualitätsverbesserungen, Organisationsverbesserungen sowie Kostensenkungen erzielen lassen.

Der vorgestellte Katalog mit Einsatzpotentialen für RVT ist weder bindend noch endgültig. Er wird im Laufe der Zeit noch einige Korrekturen und Verfeinerungen erfahren. Neue Aspekte und zukünftige technologische Entwicklungen im Bereich der Verschlüsselungstechnologie, elektronischer Zahlungssysteme oder intelligenter Agenten können gegenwärtig und zu Beginn der Entwicklung noch nicht voll erfaßt werden. Neue Formen der Arbeitsteilung und der virtuellen Organisationen werden zu beträchtlichen Veränderungen führen. Internet-Technologien ermöglichen Ansätze zu einem modernen und kundenorientierten RVT. Zugleich erlauben sie den Aufbau eines völlig neuen und virtuellen RVT. Beim Entwurf der Homepages in TCP/IP-Netzwerken können sich die Mitarbeiter zwar an die aufgezeigten Vorgaben halten, dennoch eröffnet sich für Eigeninitiative und Kreativität der Beschäftigten ein großer Spielraum. Schließlich liegt ja auch einer der großen Vorteile der Internet-Technologien darin, daß Angebote jederzeit erweiterbar, korrigierbar und umstrukturierbar sind. TCP/IP-Netzwerke leben ganz besonders von der Aktualität der angebotenen Informationen und dem Einfallsreichtum ihrer Benutzer.

Die dargelegten Einsatzmöglichkeiten lassen sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderungen auch auf andere Bereiche der Sozialversicherung oder der überwiegend mit Informationsverarbeitung beschäftigten öffentlichen Verwaltung übertragen. In all diesen Bereichen sollte dennoch darüber nachgedacht werden, ob die bisherigen Strukturen den Anforderungen des 21. Jahrhundert noch gerecht werden. Gerade die Einführung von Internet-Technologien kann Ausgangspunkt für eine grundlegende Neukonzeption von Aufbau- und Ablauforganisation sein, weil sich mit ihr erst viele neue Optionen für Organisationen eröffnen. Dabei darf allerdings auch nicht vergessen werden, daß bei allen Veränderungsmaßnahmen die Rechtssicherheit, der Bürgerservice, die Wirtschaftlichkeit und die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigt werden müssen.

Bei aller Euphorie ist weiterhin daran zu erinnern, daß die TCP/IP-Netzwerke nur Mittel zum Zweck sind. Sie sind ein Mittel zum Datenaustausch und zur Verbesserung der Kommunikation, weltweit oder intern. Sie sind aber kein Allheilmittel für angeschlagene RVT. Vielmehr hat die Technologie der Vernetzung keine Erfolgschancen, wenn nicht die erheblichen organisatorischen, mentalen und technischen Probleme zufriedenstellend gelöst werden.

Jeder RVT muß Vor- und Nachteile einer Einführung von Internet-Technologien für sich abwägen und eigenverantwortlich eine Entscheidung treffen. Mit einer Entscheidung zugunsten oder gegen Internet-Technologien werden gleichzeitig die Weichen für den künftigen Erfolg und die Existenz des RVT gestellt. Dabei dürfen Risiken weder über- noch unterbewertet werden. Sie müssen auf jeden Fall erkannt und minimiert werden. Bei einer Entscheidung gegen Internet-Technologien sind insbesondere die damit verbundenen Konsequenzen zu berücksichtigen. Angesichts der ungeheuren Auswirkungen, aber auch des weltweiten Erfolges der Internet-Technologien, werden die Entscheidungsträger sich künftig noch öfters mit Internet-Technologien beschäftigen müssen. Viele Unternehmen haben bereits das enorme Rationalisierungspotential der Internet-Technologien erkannt, in denen sie eine flexible und herstellerneutrale Informationsplattform mit guten Zukunftsperspektiven sehen. Eine breite kommerzielle Nutzung der Internet-Technologien zeichnet sich bereits ab. Im wesentlichen bieten ihnen Internet-Technologien die Business-Funktionalität, die in der Vergangenheit vermißt oder einfach zu teuer war. Mehrere Studien zeigen, daß mit einem Intranet-Aufbau möglichst bald begonnen werden sollte. Je schneller ein Intranet Bestandteil der Verwaltungsinfrastruktur wird, desto eher sind Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen realisierbar.

Die außerordentlich diffizile Sicherheitsproblematik versetzt der allgemeinen Internet-Euphorie sicherlich noch den entscheidenden Dämpfer. Das hohe Sicherheitsniveau, welches im besonderen bei RVT in Deutschland besteht, soll und muß weiter erhalten blieben. Es darf durch ein Internet-Engagement auch nicht aufgeweicht werden. Die aktuelle Diskussion und die Errichtung von Firewalls bei RVT in Deutschland weisen bereits in die richtige Richtung. Angesichts der unübersehbaren Vorzüge der Internet-Technologien ist die Sicherheitsproblematik dennoch kein Grund, in einer rein abwartenden Haltung zu verharren. Haben sich durch die ständige Weiterentwicklung der Technologien erst Sicherheitsstandards endgültig durchgesetzt, wird die Angst vor einem unsicheren Internet verschwinden. Spätestens dann sollten RVT die Internet-Technologien zur wirtschaftlichen und sparsamen Erfüllung der ihnen gesetzlich vorgegebenen Aufgaben einsetzen.

 

 


Jörn von Lucke: joern@von-lucke.de

Stand: 12. Januar 1999